Der Himmel über Eschwege hatte ein Einsehen: Pünktlich zur Vernissage der Bilderausstellung von Sina Niemeyer „An jedem dritten Tage“ vor den Schaufenstern des Kaufhauses Vockeroth in der Schildgasse hörte es auf zu regnen!
Die Frauen des SophienForums und die Berliner Künstlerin Sina Niemeyer konnten zahlreiche Besucher*innen vor den Schaufenstern des Kaufhauses zur Ausstellungseröffnung begrüßen und Hintergründe zu den Fotos geben.
Vanessa Grauer eröffnete die Vernissage und begrüßte alle Gäste aufs Herzlichste und bedankte sich beim Kreisverband der Grünen im Werra-Meißner-Kreis für die finanzielle Unterstützung, ebenso beim Kaufhaus Vockeroth, die dem SophienForum insgesamt vier Schaufenster für die Ausstellung zur Verfügung gestellt haben. Ein Dankeschön ging an viele Aktive des SophienForums, Ingeborg Wiegand und Heike Gumpricht sowie Heinz-Peter Gumpricht, die bei der Umsetzung und Einrichtung der Ausstellung geholfen hatten. Ebenso ein großes Danke an Ulrike Gätje, die an der Planung der Ausstellung beteiligt war und sich in den Gesprächen mit dem Kaufhaus Vockeroth dafür eingesetzt hat, dass die Ausstellung überhaupt dort stattfinden kann.
Sina Niemeyer erläutert zu ihrer Ausstellung:
Das Projekt An jedem dritten Tage beschäftigt sich mit dem Mord an der 15-jährigen Noelle: In der Nacht zum 5. August 2020 begegnet Noelle auf ihrem Heimweg einem unbekannten Mann. Eine Stunde später ist sie tot. Den Untersuchungen zufolge vergewaltigte der Mann sie zuerst und strangulierte sie dann mindestens sechs Minuten lang zu Tode.
Ein Mord, der als das benannt werden muss, was er ist: ein Feminizid. Sina Niemeyer fokussiert sich mit ihren Fotos explizit auf Noelles Familie und was dieser Mord für sie bedeutet. Sie verstärkt mit ihren Fotografien den Blick auf die Abwesenheit von Noelle, macht aber auch ihren Charakter sichtbar. Die Bilder entstanden in enger Zusammenarbeit mit Noelles Mutter und Schwester und kombinieren Fotografien von Noelles direktem Umfeld mit Kindheitszeichnungen und Zitaten der Familie, aus dem Gerichtssaal oder eigenen Gedanken.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 12. November und ist in der Schildgasse in insgesamt 4 Schaufenstern zu sehen.
Grußwort von Awet Tesfaiesus, MdB, zur Ausstellungseröffnung:
Liebe Freund*innen und Freunde,
Liebe Engagierte des SophienForums,ich möchte mich herzlich für die Einladung bedanken heute ein Grußwort zur Vernissage der Ausstellung „An jedem dritten Tag“ zu sprechen. Leider kann ich heute nicht persönlich bei Euch sein. Ich beschäftige mich mit einem ebenso schweren Thema, wie Ihr es heute tut. Zeitgleich bin ich auf einer Konferenz zu Genozid und Erinnerung an unsere koloniale Vergangenheit in Namibia. Dennoch möchte ich wenigstens in schriftlicher Form meinen Zuspruch und Anerkennung ausdrücken.
Ich spreche heute in doppelter Rolle zu Euch, als Bundestagsabgeordnete, die sich im Kulturausschuss für die Förderung einer diversen und machtkritischen Kulturlandschaft einsetzt und als Frau. Liebe Sina Niemeyer, vielen Dank, dass Du als Kulturschaffende mit Fotos zum im August 2020 begannen Mord an der Jugendlichen Noelle schaffst, was die Berichterstattung meist nicht tut. Deine Arbeiten sind nicht reißerisch, bagatellisierend, sensationsgeil oder täterfokussiert. Stattdessen macht deine Kunst die Opfer und deren Angehörige sichtbar. Deine Bilder machen einerseits den alltäglichen Schmerz nachfühlbar und andererseits die Normalisierung sexualisierter Gewalt greifbarer.
In Deutschland stirbt jeden dritten Tag eine Frau durch männliche Gewalt. Seit der Corona Pandemie hat diese Gewalt an Frauen stark zugenommen. Femizide sind ein strukturelles Problem. Denn hinter jedem Femizid steht auch patriarchales Denken und Handeln. Dieses patriarchale Denken wird durch ständige Wiederholung in der Gesellschaft, den Medien, der Literatur und Bildungseinrichtungen verstärkt.
Eine Gewalttat hat viele Vorstufen. Zu diesen zählen auch Sexismen, wie das „Cat-calling“ oder Witze über Frauen, die von jeder Frau schon mal erlebt wurden. Als Opfer haben wir gelernt, solch` schmerzliche Erfahrungen im Alltag zu ignorieren oder herunterzuschlucken. Im Extremfall können solche Bilder aber als Legitimierung für Ausbeutung und Gewalt herangezogen werden. So werden Femizide dann nicht als diese benannt, sondern als „Beziehungsdrama“ verharmlost, die Schuld auf die Opfer verlagert „wenn sie sich freizügig kleiden“ oder in rassistischer Zuschreibung als „Ehrenmord“ betitelt.
Liebe Frauen des SophienForums Werra-Meißner, ich möchte mich sehr herzlich bei Euch bedanken. Danke, dass Ihr dieses wichtige Thema aus der Verdrängung holt und durch die Werke von Sina Niemeyer in den Schaufenstern in Eschwege in unsere alltägliche Wahrnehmung bringt.
Ich freue mich darauf, die Werke selbst anschauen zu können.
Herzliche Grüße
Awet Tesfaiesus
Brief von Awet Tesfaiesus zur Ausstellungseröffnung
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